Die Düsseldorfer lieben Kaviar und Diamanten. Bei der Fahrt mit dem Fahrrad liegt ein Hauch Sekt in der Luft. Warum Düsseldorf die bessere Fahrradstadt ist als Münster. (Off-Topic)

Seit Corona habe ich mein Fahrrad deutlich intensiver genutzt als sonst und es für mich als neue Allzweckwaffe entdeckt. Nicht, dass ich vorher nicht Rad gefahren wäre... nur halt nicht so intensiv. Dies liegt besonders daran, dass ich seit dem „Lockdown“ engen Kontakt zu anderen Personen versuche zu vermeiden. Die öffentlichen Verkehrsmittel nutze ich daher inzwischen fast gar nicht mehr. Autofahren in Düsseldorf, brauchen wir gar nicht drüber sprechen...


Wenn ich ehrlich bin, ist Düsseldorf seit Corona auf eine Art zusammengeschrumpft, wie ich es nicht erwartet hätte. Alles ist irgendwie noch besser und schneller erreichbar - Man muss nur die richtigen Routen kennen, um bei der Fahrt zum Paradiesstrand nicht ins Paradies geschickt zu werden. Täglich fahre ich mindestens 20 km, manchmal auch 40 km Rad und konnte so einige Dinge beobachten, die ich euch, nicht vorenthalten will.

Mit dem Rad unterwegs in Düsseldorf

Mit dem Rad unterwegs in Düsseldorf

 
Oft wird’s eng in der Stadt. Erstaunlich ist die 2019er Unfallstatistik der Polizei Düsseldorf.

Oft wird’s eng in der Stadt. Erstaunlich ist die 2019er Unfallstatistik der Polizei Düsseldorf.


Auf dem Fahrradweg ist Krieg! Man könnte fast sagen, der Radweg ist das Syrien der Verkehrsteilnehmer. Grenzen zu anderen Parteien der Fortbewegung sind schwer erkennbar und verschieben sich z.T. schleichend. Manchmal endet aber auch der Radweg so abrupt, dass man ohne Vorwarnung auf der Abbiegespur einer vierspurigen Straße ist, obwohl man geradeaus fahren will.

Wer als Radfahrer hier den Schulterblick vergisst, gehört vielleicht bald zu den Kollegen mit dem Cyborg-Hüftgelenk

Wer als Radfahrer hier den Schulterblick vergisst, gehört vielleicht bald zu den Kollegen mit dem Cyborg-Hüftgelenk


Es ist ein Hexenkessel der Parteien - hier gibt es nicht nur Fußgänger gegen Radfahrer!! Allein unter den Radfahrern gibt es die unterschiedlichsten Machtkonstellationen und Interessengruppierungen, die sich je nach gewählter Waffe schlagartig verschieben oder sogar ins komplette Gegenteil kehren können:

  • der Rentner auf dem Hollandrad

  • der mit einem Cyborg-mäßigen Hüftgelenk getunte Rentner

  • der Rentner auf dem Carbon-Rennrad im gelben Trikot

  • der Food-Lieferant von Foodlieferando und Co.

  • der Fahrradkurier ohne Bremsvorrichtung am Fixie

  • der Pendler im Anzug auf dem Hollandrad mit Helm und Regenschutzüberzieher an Helm und Füßen

  • der Pendler auf dem e-Bike, der wie ein 911er Porsche auf der „linken Spur“ an einem vorbeizischt und dabei noch flucht, dass man doch gefälligst Platz machen solle

  • der Hippster auf dem Single-Speed / Fixie mit Fahrradkurier-Rucksack

  • der Hippster mit Schnauzbart auf dem verrosteten Drahtesel und einer Club-Mate-Flasche in der Hand, mit der er eigentlich bremsen sollte

  • die alleinerziehende Mutter zweier Kinder mit einem Kind als Co-Pilot auf dem Gepäckträger-Schalensitz und einem Kind auf dem Puky-Fahrrad auf Kniekehlenhöhe

  • die mit den Fahrradanhängern - quasi die Opel-Gang der Kombi-Fahrer

  • und zu guter Letzt der SUV der Gutmenschen: das e-Lastenrad mit 1,59 Kindern und dem Kasten Holunder-Bionade in der vorderen Schubkarre. Quasi der Leopard 2 Panzer unter den Kontrahenten.

Der Fahrradstreifen scheint wie für den SUV gemacht - Satte 10 cm Spielraum an beiden Seiten

Der Fahrradstreifen scheint wie für den SUV gemacht - Satte 10 cm Spielraum an beiden Seiten

 
Der schnellere und sauberere Weg Lasten in Düsseldorf zu transportieren - Jetzt fehlt nur die notwendige Infrastruktur

Der schnellere und sauberere Weg Lasten in Düsseldorf zu transportieren - Jetzt fehlt nur die notwendige Infrastruktur

 
Auch auf dem Mountainbike wird zuweilen das gelbe Trickot getragen

Auch auf dem Mountainbike wird zuweilen das gelbe Trikot getragen


Als wäre das nicht genug, kommen noch

  • eScooter-Fahrer - die Berufspendler

  • eScooter-Fahrer - die muskulösen Brudis, die zu Zweit auf dem wackeligen „Kickboard“ chillen (by the way und nur zur Erinnerung: Kickboards waren mal uncool und das war auch gut so!!!)

  • Fußgänger, die ohne Schulterblick und unangekündigt mit Links- oder Rechtsdrall ins Kampfgebiet reinwanken.

  • Rentner, die zu Fuß unterwegs sind - Diese Gruppierung ist übrigens in 99% der Fälle immun gegen sämtliche Warn-Vorrichtungen von zweirädrigen Fortbewegungsmitteln wie Klingeln. Nur in 1% der Fälle konnte reflexartiges und agiles Beiseitespringen beobachtet werden, welches dann aber von einem „Entschuldigung“ und einem Lächeln begleitet wurde.

  • Touristen, die IMMER mindestens in Viererketten nebeneinander laufen und nicht ansatzweise von ihrer Wall-of-Death abrücken

  • Jogger

  • wenige Skater, die zum Glück auf anderen Kriegsschauplätzen unterwegs sind und dort gepflegte Parkanlagen kaputt-grinden

  • Personen mit Kinderwagen - übrigens auch noch mal eine Klasse für sich, da es hier eine Modellpalette gibt, die für Insassen von Skinny Pete bis Jabba the Hutt alles zu bieten hat

Fachmännisch abgestellter eScooter

Fachmännisch abgestellter eScooter

 
Nicht wirklich skate-bar dieser Untergrund

Nicht wirklich skate-bar dieser Untergrund

 
Das nächste Hindernis kommt bestimmt - Die Auswahl ist ja groß genug

Das nächste Hindernis kommt bestimmt - Die Auswahl ist ja groß genug

 
Vom Winde verweht - Leider häufiger Anblick

Vom Winde verweht - Leider häufiger Anblick

 
Ob die Wohnungen der Düsseldorfer auch so von innen aussehen?

Ob die Wohnungen der Düsseldorfer auch so von innen aussehen?

 
Glas findet man genug - das Fiese: auch kleinste Splitter können das Rad kampfunfähig machen

Glas findet man genug - das Fiese: auch kleinste Splitter können das Rad kampfunfähig machen


Damit die Fahrt auf dem Rad nicht aus Versehen harmonisch verläuft, wenn mal nur wenige Verkehrsteilnehmer am Start sind, ist das Kriegsgebiet zusätzlich gespickt mit:

  • quer auf dem Radweg rumliegende eScooter

  • auf „dem Seitenstreifen“ stehende Autos mit Warnblinkanlage - scheinbar gehen die Fahrzeuge sehr häufig vor Döner-Läden kaputt! Vielleicht sollte eine Untersuchungskommission der Bundesregierung mal prüfen, ob es hier nicht eine Verbindung zum Diesel-Skandal gibt. Es kann kein Zufall sein, dass die Autos immer genau dort defekt sind!

  • ausrangierten Drahteseln und alten Gurken, die bemitleidenswert vor sich hinrosten und aus Gründen des Vandalismusses demontiert werden

  • Armeen von parkenden Rädern, die in den kleinen Wohnungen der Besitzer keinen Platz finden

  • Müll, Müll und noch mehr Müll

  • Glas

  • und zu guter Letzt: braune Scheiße (wegen der anstehenden Wahlen aktuell sogar im doppelten Sinne)

Dabei liegt in der Luft ein Hauch von Urin.

Der Düsseldorfer liebt Kaviar - aber warum liegt hier eigentlich überall Scheiße?

Der Düsseldorfer liebt Kaviar - aber warum liegt hier eigentlich überall Scheiße?

 
Runtergetropft? Bald stehen Wahlen an und die Wahlplakate von AFD und Co hängen wieder am Laternenpfahl

Runtergetropft? Bald stehen Wahlen an und die Wahlplakate von AFD und Co hängen wieder am Laternenpfahl


All das passiert auf einem mit Glück 150cm breitem Streifen oder dem angrenzenden Fahrstreifen der Straße. Ich frag mich da u.A. wo da der Platz für Rolli- und Hackenporsche-Fahrer bleibt und warum Eigentumswohnungen mit 90qm in dieser schönen Stadt eigentlich über eine halbe Mio. EUR kosten.

Fahrradstadt_Duesseldorf_075.jpg

Hinterrad abmontiert! Sieht man sehr häufig in der Fahrradstadt.


Demgegenüber steht die Straße, quasi das Europa der Verkehrsteilnehmer. Hier können 99,9% der Parteien theoretisch mindestens 50 km/h fahren und damit im Stadtverkehr weitestgehend einheitlich fließen, würden sich alle an die Genfer-Konvention des Straßenverkehrs halten und die Straßen nicht sowieso komplett verstopft sein. Wie viel Platz den Autos zum fahren, parken, halten, be- und entladen eingeräumt wird kann ich leider nicht exakt beziffern. Alle anderen Angaben in diesem Artikel sind natürlich wissenschaftlich erhoben und exakt ausgewertet.

Homeoffice ins Auto verlegt - Wenn die Dinger jetzt nur autonom fahren könnten…

Homeoffice ins Auto verlegt - Wenn die Dinger jetzt nur autonom fahren könnten…

 
Platz genug - Da passt bestimmt noch ein Fahrrad durch.

Platz genug - Da passt bestimmt noch ein Fahrrad durch.


Positiv wird verzeichnet, dass dem Fahrrad in Düsseldorf in den letzten Jahren mehr und mehr Raum gegeben wurde. Trotzdem gibt es noch viel zu tun. Ein erster Schritt wäre ein glas- und scheißefreier Raum für alle Bürger. Hier sehe ich vor allem die Verantwortung bei den Bewohnern der Stadt selbst. Zwar schubsen die Kehrmaschinen aktuell den Dreck tendenziell nur vom Geh- auf den Radweg, jedoch wäre es wünschenswert, wenn der Mist erst gar nicht auf dem Boden landet.

Vorbildliche Bürger verpacken ihren Müll in Müllsäcken.

Vorbildliche Bürger verpacken ihren Müll in Müllsäcken.

 
Schon lange keinen Arsch mehr gesehen.

Schon lange keinen Arsch mehr gesehen.


Und wo wir schon mal dabei sind: Mehr Toleranz, weniger Egoismus und mehr nettes Lächeln würde der Gesellschaft nicht nur auf dem Radweg guttun.

Hier gibts zum Glück genügend Platz für den Hackenporsche. Da könnte man sogar noch Abstand halten.

Hier gibts zum Glück genügend Platz für den Hackenporsche. Da könnte man sogar noch Abstand halten.

 
Sicherlich eine große Herausforderung bei der Gesamtsituation im Straßenverkehr.

Sicherlich eine große Herausforderung bei der Gesamtsituation im Straßenverkehr.

 
Alte Gurken findet man am Straßenrand zu Genüge

Alte Gurken findet man am Straßenrand zu Genüge

Cheers! Bleibt alle gesund und schützt euch und die anderen. Ich lese mir jetzt mal die Wahlprogramme durch und schaue mal, welche innovativen Konzepte zum Thema Mobilität dabei sind.

Fahrradstadt_Duesseldorf_057.jpg

p.s.: Aus Gründen der Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter.